Shiva – der höchste Gott im Hinduismus
Shivas Historie begann als die indischen Ureinwohner und die zugewanderten Arier noch ihre eigenen Gottheiten hatten. Er ist einer der ältesten Gottheiten im Hinduismus, sein erster Name ist Rudra mit dem er in den Veden erwähnt wurde, ein wilder nicht arischer Gott, um den sich viele Mythen ranken. Er stellt den Gott der Stürme, Krankheitsplagen und des Todes dar, aber auch Helfer und Heiler in seinen freundlichen Aspekten.
Es bildeten sich unterschiedliche Richtungen im Hinduismus aus, eine davon ist der Shivaismus. Im Shivaismus geht es um die Befreiung des Selbst von Karma und Materie durch Yoga und Tantra.
Wer ist Shiva?
Die Lila änderte sich durch Annährung der Volksreligionen und der wilde, unkultivierte Rudra vereinigte sich mit der Tochter Sati des arischen Schöpfergottes Daksa-Prajapati. Shiva, der viele Wesenszüge Rudras aufweist, erlangte sogar eine Gleichstellung mit Vishnu und wurde endgültig verehrungswürdig. Mit der Entwicklung vom Götteropfer hin zur Meditation und Andacht wurde für Shiva der Weg zum höchsten persönlichen Gott (Isvara) im Hinduismus frei.
Im orthodoxen Hinduismus wird Shiva sowohl mit maskulinen, femininen und androgynen Aspekten ausgestattet. Er stellt gleichzeitig Ende und Anfang dar, Zerstörung und Geburt. Shiva hat zornige und gütige Aspekte, er ist lebensvernichtend und lebenspendend. Seine Erscheinungsformen sind deshalb vielfältig entsprechend seiner Funktionen. Shiva heißt eigentlich der freundliche, wohlwollende, er hat viele Erscheinungsformen und Eigenschaften.
Welche Namen hat Shiva?
Shivas Vielfältigkeit spiegelt sich auch in seinen wohl 1008 Namen, eine kleine Auswahl hier:
Name | Bedeutung |
---|---|
Adrhanarisvara | der Gott, der zur Hälfte weiblich ist |
Anugrahamurti | die wohlwollende Manifestation |
Bhiksatanamurti | der wandernde Bettler |
Candrasekhara | der Gott mit dem Mond in seinem Haar |
Gajasamhara | Besieger des Elefanten-Dämons |
Gangadhara | Träger des Ganges |
Kalasamhara | Zerstörer der Zeit |
Mahesamurti | der große Oberherr |
Nrttamurti | der Herr der Tänzer |
Pasupati | Herr des Viehs |
Rudra | der Helfer |
Samharamurti | die zerstörende Manifestation |
Sankara | der Wohltätige |
Sikharesvara | Herr des Gipfels |
Siva | der Milde |
Somaskanda | Gemahl der Göttin Uma und Vater Shadas, des Kriegsgottes |
Vaidyanatha | Herr der Ärzte |
Mahayogin
Die Darstellung Shivas als weiser Asket Mahayogin, der sich von den weltlichen Dingen abgewandt hat, ist seine häufigste Erscheinungsform. Bekleidet mit einem Lendenschurz aus Elefantenhaut, die Haare geflochten, eine Kobra um den Hals schlängelnd. Eine Totenkopf-Mala umgehängt und die Mondsichel im Haar als Zeichen seiner Krone, auf seiner Stirn hat er das dritte Auge senkrecht über der Nasenwurzel. Der sündenbefreiende Ganges fließt durch seine Haare. Als Attribute hält der den Dreizack (Trikont) und die Trommel (Damaru). Er blickt in die glücksbringende Himmelsrichtung Süden (Dakshina), dort wird den Göttern und Heiligen die Essenz der heiligen Texte offenbart. Er sitzt meditierend auf einem Tigerfell und konzentriert in sich seine geistigen Energien. Er wohnt auf dem heiligen Berg Kailash im Himalaya. Er gilt als der größte Yogi, der alle heiligen Texte studiert und die höchste Bewusstseinsstufe erreicht hat. Er wurde eins mit Brahman, der Weltseele.
Familie Shivas
Die Darstellungen der Familie Shivas mit seiner Frau Parvati und Kindern wird seltener mit den zwei Söhnen Ganesha und Skanda als meist nur mit Ganesha alleine gefunden. Die Purunas präsentieren Shiva und Parvati als das Elternpaar des Universums. Es ranken sich auch hier viele verschiedene Mythen um ihr Leben als Familie. Parvati soll der Legende nach eines Tages im Himalaya auf einen schönen Asketen, der um seine erste Gemahlin Sati trauerte. Sati war die erste Frau Shiva-Rudras, sie nahm sich selbst das Leben, da sie beschämt war von Rurdas ungehobelten Auftreten ihrem Vater gegenüber. Parvati wusste nicht, dass sie selbst eine Wiedergeburt Satis war und erkannte in dem Asketen den Gott Shiva, in den sie sich verliebte. So begann sie ebenfalls ein asketisches Leben zu führen, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er erschien als Wanderbettler vor ihr, beide heirateten. Sie residierten nun auf den Berg Kailash und nahmen dem sexuellen Akt wieder auf, der lange Zeit unterbrochen war. Dieser Akt soll so intensiv gewesen sein, dass der Kosmos davon erschüttert wurde und die Götter Angst bekamen. Die Götter unterbrachen das Liebespiel der beiden und Shivas Samen fiel in den Ganges aus dem Karttikeya geboren wurde, der dann die Welt vor dem Dämonen Taraka rettete. Im Mythos um den Sohn Ganesha dagegen ist die bekannteste Version jene, in der Parvati ihren Sohn aus eigener Kraft erschafft, ohne Zutun ihres Gatten Shivas.
Shiva – Shakti
Shiva ist auch der große Zeugungsgott, der mit seiner Gattin in liebevoller Umarmung zusammenwächst.
Shiva sitzt mit seiner Gemahlin Uma gemeinsam auf einem Lotus. Er wird wie Kevala- Candrasekhara-Murti vierarmig dargestellt als freundlicher Shiva mit seiner Shakti (Parvati oder Uma) wird er im aktiven Aspekt dargestellt, wozu es der Verbindung mit der kreativen, weiblichen Kraft bedarf. Er besitzt eine ewig androgyne Form, die in dieser Erscheinung nur leicht ausgebildet ist. Der Ohrring im rechten Ohr steht für männlich, der im linken für weiblich. Seine Attribute sind Axt und Antilope, die anderen Hände sind in den Mudras der Schutz- und Wunschgewährung abgebildet. Uma sitzt neben Shiva und ist zweiarmig, sie wird auch den Lotus haltend dargestellt.
Die Dualität er Geschlechter ist allegorisch zu verstehen, nur dem Anschein nach sind Shiva und Shakti zwei verschiedene Gottheiten, in Wahrheit jedoch nur eine. Das schöpferische Paar wurde in der äußeren Welt als Zweiheit manifestiert. Der Mann hat den passiven Aspekt, in der Form der Ewigkeit, die Frau mit dem Aspekt der aktivierenden Energie Shakti, der Dynamik der Zeit. Anscheinende Gegensätze, die jedoch im Wesen eins sind. Shiva ist der, den wir dreifach in Trimurti sehen und in der Grundfigur des Lingam. Die Göttin ist die Yoni, bekannt als Uma, Durga, Parvati, Kali, Chamunda, Gauri, Haimavati, Vindhyavasini. In jeder Frau hat sie ihre Entsprechung, wie Shiva in jedem Mann.
Sri Yantra
Als Yantra hat diese Energie seine Entsprechung im Shri-Yantra (auch Sri Chankra genannt), das Yantra aller Yantras, eine geometrische Darstellung zur Visualisierung der polaren Gegensätze Zeit und Ewigkeit.
Shiva Lingam
Der wichtigste Verehrungsgegenstands ist der Shiva Lingam – Phallus, die männliche Schöpferkraft als fundamentale Kraft Shivas. Der Lingam wird oft auch mit der Yoni (Vagina), der weiblichen Schöpfungsenergie, zusammen dargestellt. Aus der Mitte der Yoni erhebt sich der Lingam. Die schöpferische Vereinigung bringt alles Leben hervor und erhält es. Entsprechend der kosmischen Lila ist Shiva aus dem Lingam geboren und vereint alle drei Kräfte in sich, Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung.
Es gibt unterschiedliche Lingam Darstellungen. Der Mukhalinga verbildlicht mit seinen vier oder fünf Köpfen Shivas Aspekte der Schöpfung, Erhaltung, Zerstörung, Verhüllung und Erlösung. Ist der Lingam mit acht Köpfen abgebildet, weißt dies auf Shivas acht Formen hin. Im Pashupatinath Tempel findet sich solch ein Lingam aus Stein.
Nataraja, der König der Tänzer
Die Darstellung Shivas als Tänzer gibt es ikonographisch in verschiedenen Formen, die bekannteste ist Nataraja umgeben von meist kreisförmigen Flammenaureolen. Seine Verbindung zu Tanz und Musik ist von besonderer Bedeutung.
Der Legende nach wollten zehntausend ketzerische Rishis (heilige Männer) mit ihren Gesängen Shiva vernichten. Er erhob sich zum Tanz, um die Gefahr zu bannen und in kreative Energie umzuwandeln. Die Rishis hetzen erst einen wilden Tiger auf Shiva, den er abwehrte und seine Haut als Umhang nahm. Dann sandten sie Giftschlangen nach Shiva aus, diese bändigte er und legte sie wie Girlanden um seinen Hals. Als nächstes folgte der wilde, schwarze Zwerg Apasmara der Shiva mit seiner Keule töten sollte, aber Shiva legte seinen Fuß auf den Rücken des Zwergs und tanzte auf seinem Rücken. Der Dämon Apasmara stellt die Ignoranz dar. Shivas magischer Tanz war so beeindruckend, dass der Zwerg und die heiligen Rishis Shiva als ihren Meister anerkannten.
Die Symbolik dieses Tanzes Shivas wurde unterschiedlich interpretiert. Shiva symbolisiert die treibende Kraft des Universums mit seinen fünf übernatürlichen Aspekten der Schöpfung, Bewahrung, Zerstörung, Verkörperung und Befreiung der menschlichen Seelen aus der Welt der Illusion. Aber der Tanz weist auch darauf hin, dass die Befreiung erst im Feuer des Krematoriums gefunden werden kann, symbolisiert durch den Flammenring um den Tänzer. Andere Lilas erzählen, solange Shiva tanzt und die Trommel schlägt emaniert das Universum, stoppt der Tanz bricht das Universum in sich zusammen. Mit jedem neuen Tanz Shivas beginnt ein neues Weltzeitalter. Der Tanz Shivas wird Anandatandava genannt – der Tanz der Glückseeligkeit.
Nataraja wird vierarmig dargestellt mit seinen Attributen Feuer und Äther. Er schlägt er den Takt mit der oberen rechten Hand mittels einer kleinen sanduhrförmigen Trommel (Damaru). Der Ton wird mit Äther (Raum), dem ersten der fünf Elemente indiziert. Aus dem Äther entstehen alle weiteren Elemente wie Luft, Feuer, Wasser und Erde. Ton und Äther zusammen werden als produktive Energie des Absoluten in ihrer ursprünglichen kosmo-energetischen Kraft gesehen. Die obere linke Hand mit trägt auf ihrer Innenseite eine Flammenzunge. Feuer das Element der Weltzerstörung, das dann vom Ozean ausgelöscht wird. Mit dem Gleichgewicht der beiden Hände wird das Gegenspiel von Schöpfung und Vernichtung symbolisiert. Die zweite rechte Hand mit Aghaya-Mudra (Schutzverheißung) und der verbleibende linke Arm mit dem Gaja-Hasta-Mudra (Elefantengeste) über der Brust zum aufgehobenen Fuß zeigend. Die nach unten zeigende Hand in der Stellung des ausgestreckten Elefantenrüssels, wiest auf seinen Sohn Ganesha hin, dem Beseitiger aller Hindernisse. Shiva tanzt auf dem Leib des liegenden Apasmara, dem Dämon der Ignoranz, Shiva befreit die Menschheit von der Unwissenheit und zeigt den Weg zur Befreiung aller Fesseln. Das andere Bein in die Luft erhoben symbolisiert die Rettung. Die Bewegung des Tanzes lässt Shivas Haare und seinen Hüftschal hochwirbeln. In seinem Haar ist die Krone der Mondsichel und die Kobra zu sehen.
AUM – OM
Aus dem Lotussockel entspringt ein Flammenring (Aureole – Prabha-Mandala), der umgibt Shiva im Tanz, als die Energie der Weisheit, das transzendente Licht der Erkenntnis des Wahren. Dies symbolisiert die heilige Silbe AUM – OM ist Ausdruck der Ganzheit der Schöpfung.
- A – Zustand des erwachten, wahren Bewusstseins
- U – Zustand des Traums, des schlummernden Bewusstseins
- M – Zustand des traumlosen Schlafs, des undifferenzierten Bewusstseins
AUM ist ein Klangsymbol für das Ganze des Seins und des Bewusstseins
Tanzen
Tanzen kann in seiner magischen Form übernatürliche Kräfte ansprechen. Ein Zustand der Trance kann eintreten mit Ekstase-Erlebnissen, Realisierung der eigenen verborgenen Natur bis hin zur Verschmelzung mit dem Göttlichen Sein. Der Tanz hier in einer Reihe mit den anderen Diziplinen des Yoga wie Fasten, Atemkontrolle und asketischen Übungen zu sehen. Shiva ist der strengste Asket aller Yogis unter den Göttern. Die Tänzer sollen in Dämonen, Götter oder irdische Wesen verwandeln, je nach Vorgabe. Der Kriegstanz soll den Tänzer in einen furchtlosen Helden verwandeln. Tanzen ist als schöpferischer Akt zu sehen, schlummernde Energien können geweckt werden. Shiva, der kosmische Tänzer, versammelt in seiner tanzenden Offenbarung die ewige Energie in sich und bringt sie zur Manifestation. In seinen rasenden, unaufhörlichen Kreisbewegungen zieht er Kräfte an und schleudert zu wieder hinaus. Die Auswirkungen seines ewigen Tanzes sind die Entfaltung, Erhaltung und Auflösung der Welt, der Natur und all ihrer Geschöpfe.
Shiva ist gleichzeitig Asket und Tänzer, totale Ruhe und totale Aktivität, der Gegensatz der Dualität in einer nicht dualistischen letzten Wirklichkeit.
Ardhanarishvara
Shiva wir hier in seiner androynen Form dargestellt. Gemeinsam mit seiner Frau Parvati in einer Gestalt, die halb männlich und halb weiblich ist. Wörtlich übersetzt aus dem Sanskrit jedoch: “der Herr, der eine halbe Frau ist”. Es gab eine Zeit in der sich laut Mytholgie die Wesen nicht mehr vermehrten und die Welt als vom Aussterben bedroht galt. Es kam zur Idee, dass Shiva in seiner androgyenen Form viele Wesen erschuf. Shiva und Parvati ist zu einem zweigeschlechtigen Schöpfergott geworden. Als im 4.Jh. n.Chr. in Indien der Shaktismus aufkam, indem der männlichen Zeugungskraft die weibliche Potenz Shakti gleichwertig zur Seite stellt wird, betrachtet man das männliche Element allein als machtlos. Erst Parvati belebte den „Leichnam“ (Shava) zu Gott Shiva. Shakti ist die handelnde Kraft gelenkt vom Bewusstsein Shivas. Im Shiva-Purana wird die Legende des Ardhanarishvara geschildert. Brahma konnte seine Schöpfung nicht gestalten, weil seine Wesen sich nicht vermehrten. Er bat Shiva um Hilfe, er erschien in seiner androgynen Form. Daraufhin teilte er sich in Shiva und Parvati, Parvati übernahm die Funktion der Fruchtbarkeit. Die Verehrung Shivas ist immer mit der Verehrung seines weiblichen Teils, der Shakti, verbunden, denn ohne sie ist er leblos. Aus der Vereinigung des weiblichen und männlichen Aspekts entstehen alle Lebewesen. Das Männliche steht für das passives Element des Raumes und die Aktivität als Element der Zeit und gilt als der weibliche Aspekt.
Als Skulptur sitzend oder stehend dargestellt ist die rechte Seite männlich, die linke weiblich, die vierarmige Figur hält in den beiden rechten Händen die männlichen Attribute Dreizack und Rad und links die weiblichen Attribute Spiegel und Lotus.
Quellennachweise
Rudy Jansen, Eva: Die Bildersprache des Hinduismus : Göttinnen und Götter, Erscheinungsformen und Bedeutungen, Havelte, 1999
Schleberger, Eckhard: Die indische Götterwelt. Gestalt, Ausdruck und Sinnbild. Ein Handbuch der hinduistischen Ikonographie., Diederichs, 1997
Bunce, Frederick W.: Yantras of Deities and Their Numerological Foundations: An Iconographic Consideration, D.K. Print World, 2001
Dowson, John: A Classical Dictionary of Hindu Mythology and Religion, hansebooks, 2016
Mitchell, A. G.: Hindu Gods & Goddesses, UBS Publishers Distributors, 2002
Sakya, Jnan Bahadur: Short Description of Gods Goddesses & Ritual Objects of Buddhism & Hinduism in Nepal, Handicraft Assocation Of Nepal, 2000
Sir Monier-Williams, Monier: Sanskrit-English Dictionary, Manohar Publishers and Distributors, 2006
Sivananda, Swami: Lord Siva and His Worship, Divine Life Society, 2008